3. Dezember 1937

Iwan Trojan Русский © 2017 Jan Grabowski

RGASPI (Russisches Staatsarchiv für sozio-politische Geschichte) f. 545, op. 6, d. 1555, l. 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 55ob, 56, 56ob, 57, 58.

Troyan Iwan Iwanowitsch

Autobiografie1

Ich bin am 12. Februar 1901 in Taganrog (Russland) geboren, in der Familie von Iwan Stepanowitsch Troyan und Helena Nikitowna (geborene Bandakowa).

Mein Vater war Arbeiter in Eisenlager2 „Iltschenko“ in Taganrog. Sein letzter Lohn war 30 Rubel pro Monat; er ist gestorben, als ich ein Jahr alt war.

In der Familie war ich das dritte und letzte Kind gewesen; meine Schwester ist im gleichen Jahr wie der Vater gestorben.

Meine Mutter hat während der ersten Witwenjahre gewaschen und Häuser geputzt; der Großvater (wir wohnten zusammen mit den Eltern der Mutter) hat die städtische Straße mit Besen gekehrt und in reichen Höfen Bundholz geschnitten.

Großmutter hat zu Hause gearbeitet und auf uns Kinder (mich und meine ältere Schwester Marie) aufgepasst.

Später hat die Mutter eine Nähmaschine gekauft und zu Hause gearbeitet.

Während der Revolution von 1905 hat Mutter Arbeiterversammlungen besucht. Als Onkel Iwan Nikititsch Bandakow (Bruder der Mutter, jetzt wohnhaft in Taganrog, UdSSR) inhaftiert war und im Gefängnis in Taganrog ein Jahr auf seine Gerichtsverhandlung wartete, hat Mutter aktiv als Verbindung zwischen Revolutionären in Gefangenschaft und in Freiheit gearbeitet; sie hat auch Material zur Befreiung (kleine Eisenteile3, Anzüge und so weiter), die die Gefangenen bestellten, ins Gefängnis gebracht. Seit der Onkel, nach dem Prozess, ins Gebiet Astrachan deportiert war, hat Mutter die Verbindung mit den Revolutionären verloren; Mutter hat in ihrem Leben keine Schule besucht und Lesen und Schreiben von Verwandten gelernt.

Als ich 8 Jahre alt war, habe ich angefangen, die Schule zu besuchen. Zwei Jahre habe ich die Volksschule besucht; in dieser Zeit hat eine Familie Barbara und Dimitry Lustschinski, bei der meine Mutter arbeitete – sie waren älter, ohne Kinder, er ein pensionierter Beamter -, mich mehrere Male gesehen und beschlossen, mich in eine höhere Schule zu schicken.

Ich bin ein Jahr zur Lehrerin gegangen, und im Jahr 1911 habe ich das Examen gemacht für die Aufnahme in die erste Klasse der „Technischen Höheren 8-klassigen Schule in Taganrog“ („Таганрогское Среднее 8миклассное Техническое Училище“).

In der Schule habe ich gut gelernt, wurde jedes Jahr in die nächste Klasse versetzt und hatte in den Sommerferien frei.

Im Jahr 1912 heiratete Mutter zum zweitenmal. Der zweite Vater war Beamter beim Lohnbüro des Hüttenwerks und wechselte später zu einer Bank als Buchhaltungsgehilfe; er hat 100 Rubel Monatslohn gehabt und ein Haus; da er – Sergej Petrowitsch Romanenko – für uns ein guter Vater war, hat sich unser Leben sehr verbessert. Einen großen Unterschied habe ich psychologisch nicht empfunden, weil das Programm unserer Schule sehr umfangreich war – von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags Schule und abends Lernen zu Hause –, so dass ich nicht viel um mich herum gesehen habe.

In den Sommerferien 1916 habe ich im Hütten-Zeichnenbüro als Zeichner gearbeitet; in den Sommerferien 1917 habe ich in einer Kriegswerkstatt als Dreher gearbeitet; in den Sommerferien 1918 hatte ich Schüler.

Im Jahr 1919 beendeten wir die Schule sehr frühzeitig (Anfang März); ich ging sofort zum Arbeiten ins Hüttenwerk in den Martin-Ofen-Betrieb, denn ich dachte, in ein Institut in der Abteilung Metallurgie oder Bergbau einzutreten; so hatte mir Familie Lustschinski geraten.

Über zwei Monate hatte ich im Martinofen-Betrieb gearbeitet und war schon Erster Laderarbeiter am Ofen, als ich zur Weißen Garde auf einen Panzerzug ging.

Zu dieser Zeit war ich nicht politisch und klassenbewusst. Um mich herum waren die Verwandten meines zweiten Vaters aus der Kleinbürgerklasse, und in der Schule [Angehörige] der Kapitalistenklasse; ich habe bis zum Alter von 18 Jahren (und später noch) keine Zeitung gelesen. Ich war [in die] Zeit [hinein]geboren; aus der Kinderzeit war mir eine Erinnerung an die Sozialrevolutionäre Partei geblieben und von der Sozialdemokratischen Partei hatte ich etwas gehört; der Onkel war nach seinen Strafjahren im Gebiet Astrachan nicht mehr zurückgekommen und [hat] zu dieser Zeit in Orenburg (West-Sibirien) gewohnt. Die Weiße Garde hat als erste Losung „Für Utchreditelnoje Sobranije“ (die Konstituierende Versammlung) verkündet, und in der Schule haben uns die Lehrer gelehrt: „die Bolschewiken-Leninisten wollen die Revolution verraten; weil4 die Volksmassen eine feste Regierung fordern, hätten wir wieder einen Zaren“5. So, durch diesen Verrat6, bin ich losgegangen, die „Freiheit“ Russlands zu verteidigen.

Ich war eingeteilt auf dem Panzerzuzg „Johann Kalita“ der 2. Panzerzugsdivision. Mit dem Panzerzug war ich an den folgenden Frontabschnitten: Pologi – Richtung Jekaterinoslaw, dann in Reserve bei Zarizyn, dann in Richtung Poltawa, dann in Richtung Kursk – Orjol, dann dieselbe Strecke zurück: Orjol – Kursk – Belgorod – Charkow – Isum – Marzewo (bei Taganrog) – Rostow.

Weil der Panzerzug „Johann Kalita“ ein schwerer [Panzerzug] mit 4,2- und 5-Zoll-Kanonen war und auf große Distanz schoss, habe ich die „feindlichen“ Leute an der Front nicht gesehen.

Als die Rote Armee Rostow besetzt und die Weiße Garde teils auf die Krim und teils in den Nordkaukasus abgedrängt hat, wurde der Panzerzug zur Bahnwache ins Hinterland, ins Kubangebiet, geschickt. Mitte März wurde das erste Korps auf die Krim evakuiert, weil die Rote Armee den Nordkaukasus besetzt hatte.

Auf der Krim, nach einem Monat Ruhe in Sebastopol, wurde ich auf ein Schiff als Matrose eingeteilt, auf das Schiff „Rostislaw“. Auf diesem Schiff habe ich als Unteroffizier die Marineausbildung gemacht, war einen Monat auf einem kleinen Verbindungsschiff und dann wieder auf der „Rostislaw“.

An den ersten Tagen der Evakuierung der Krim bin ich mit dem auslaufenden Schiff abgefahren. Über den Hafen Eregli7 und Konstantinopel kam ich am 15.Dezember 1920 im Hafen Bakar8 in Jugoslawien an.

Alle russischen emigrierten Seeleute aus diesem Transport, etwa 300 Mann, hatten auf Anweisung der jugoslawischen Regierung eine „Kolonie“ in Nowo-Gradischko gegründet; ich wurde eingeteilt in dieser Kolonie bei der Gruppe in Nowsko. Zwei Monate lang war ich, wie andere auch, ohne Arbeit und bekam staatliche Unterstützung.

Im Februar habe ich Arbeit bei einem Pastor in Jasenovac9 bekommen. Bei dem Pastor habe ich auf dem Hof und auf dem Feld bis Juli gearbeitet.

Im Juli 1921 zog ich nach Ljubljana um und habe dort Arbeit als Zeichner in der Hütte „Zwonkar“, im Zeichenbüro, bekommen.

Am 1.September habe ich die Arbeitsstelle verlassen und angefangen [zu] studieren. In Ljubljana war ein Bergbaukursus mit zwei Abteilungen, Steiger und Markscheider, eröffnet worden; ich wurde in der Markscheider-Abteilung angenommen, mit (wie bei jedem anderen) Unterstützung durch die Regierung.

Im Oktober wurde ich in der Universität von Ljubljana immatrikuliert; den Markscheiderkursus habe ich nicht verlassen, weil dieser immer am Abend stattfand.

In der Universität habe ich bis Juli 1923 studiert. Den Kursus habe ich im Jahr 1922 beendet und nach dem Staatsexamen das Markscheider-Zeugnis erhalten.

Weil die Lebensmittel immer teurer geworden und die Unterstützung dieselbe geblieben war, war es für Studenten immer schwerer zu leben; ich bin Anfang des Jahres 1923 wieder zur Arbeit ins Zeichenbüro gegangen, zuerst für 4 Stunden pro Tag mit halbem Lohn, und im Sommer arbeitete ich volle 8 Stunden. Im nächsten Jahr war es unmöglich, die Arbeitsstelle zu verlassen. Dazu kam eine politische Schwierigkeit: im Frühling 1923 drängten die Rechten unter den aus Russland emigrierten Studenten in der Tschechoslowakei und Jugoslawien darauf, dass „die russischen Studenten politisches Gesicht zeigen müssen“ – das heißt, dass die Linken entweder aufgeben oder aus der Hochschule eliminiert10 werden sollen.

In Jugoslawien haben in Beograd die Rechten die Mehrheit gekriegt, in Zagreb teilte der Studentenverein sich in zwei [Teile], und in Ljubljana haben wir Linken die Mehrheit gekriegt. Deshalb versuchte in Ljubljana Professor Belinowitsch uns zu eliminieren11. Ich war ihm bekannt als ein „Anti-Gesichtszeiger“. Unsere Losung war, „das Studium nicht mit Politik zu stören“.

Diese und die materiellen Schwierigkeiten für das weitere Studieren waren für mich schwer zu ertragen, denn ich studierte sehr gern. Dieser Verlust war für mich viel schwerer als der Verlust der Heimat.

Aus moralischer Wut darüber, dass ich die Universität nicht mehr sehen sollte, habe ich die Arbeit verlassen, ohne eine Perspektive für neue Arbeit, und bin aus Ljubljana abgereist, zuerst nach Zagreb.

In Zagreb habe ich einen Monat gelebt und keine Arbeit gefunden; das gesparte Geld war aber zu Ende.

Ich habe gehört, dass bei Maribor die Russen eine neue Eisenbahn von Ormož nach Ljutomer12 bauen, und bin zu Fuß dorthin gegangen. Es war Anfang September, ich bin 8 Tage lang gegangen und habe zum Essen Äpfel, Birnen und Zwetschgen gehabt, die an der Straße wachsen.

Am 9.September 1923 fing ich beim Eisenbahnbau an. Die Russen haben bei diesem Eisenbahnbau militärische Kosakeneinheiten eingesetzt.

Während der Arbeit habe ich schnell die Sympathie der Kosaken bekommen, aber beim Regimentsstab [war es] umgekehrt, denn ich habe mich als Zivilist, nicht Militär, bezeichnet, außerdem war der Stab aufgeklärt über meine linke politische Gesinnung aus Ljubljana. Wir arbeiteten alle beim Stab als Arbeiter beim Unternehmer; anstatt etwas zu verdienen, trotz sparsamen Essens, wuchs die Geldschuld bei jedem ständig an. Einen Anzug konnten wir nur über den Stab kaufen, aber nur eine militärische Kosakenuniform; darum war ich fast unbekleidet.

Zum Glück ist in den Ort ein junger Ingenieur für Kohlegruben gekommen, der mir als Kommilitone bekannt war. Er hat mir sofort beim ersten Zusammentreffen eine Arbeit gegeben: für zwei kleine Kohlegruben in Ključanci und in Iwankowci je eine Grubenkarte anzufertigen.

Zwei Monate habe ich an den beiden Markscheiderkarten gearbeitet und gut verdient, ich sparte 1500 Dinar, aber ein Zivilanzug und die Schuld beim Regimentsstab kosteten das ganze Geld, so dass ich wieder ohne Geld neue Arbeit suchen musste.

Zu dieser Zeit wurde bei der neuen Eisenbahn der Bau von Betonbrücken angefangen, und ich wurde für Betonarbeit im Akkord eingestellt.

Im September/Oktober 1924 hat der Regimentsstab für das Regiment einen neuen Auftrag übernommen: bei Titel eine Betonbrücke über die Theiß zu bauen, und da ich kein Geld hatte, war ich gezwungen, damit zufrieden zu sein, als mich das Regiment als guten Arbeiter mitnahm.

Bei Titel habe ich etwa einen Monat gearbeitet. Mit mehreren Kosaken-Kameraden habe ich ausgekundschaftet, dass es in der Nähe bei Veliki Bečkerek13 Arbeit in einer Zuckerfabrik gab. Gegen den Willen des Stabes haben wir das Regiment verlassen und sind fortgegangen zu einem eigenständigem Leben in der Zuckerfabrik.

In der Zuckerfabrik habe ich bis Juli 1925 im Akkord als Lade-Arbeiter im Lager gearbeitet. Zu dieser Zeit habe ich von der Meinung gehört, die es unter den russischen Emigranten gab, dass man in Frankreich gut verdienen könne. Ich dachte, ich werde in Frankreich bei der Arbeit etwas sparen und dann in ein Institut gehen, um weiter zu studieren.

Über die Aktiengesellschaft „Technopomostek“, eine Emigranten-Falle14, habe ich einen Vertrag für ein Jahr auf der Halberger Hütte in Saarbrücken gekriegt und bin im Juli 1925 ins Saargebiet abgefahren.

Den einjährigen Vertrag bei der Halberger Hütte in Brebach (Saar) habe ich beendet und bin weitergefahren nach Lyon in Frankreich. In Lyon habe ich einen Monat in einer Regenschirmfabrik als Ofenheizer beim Drahthärten gearbeitet. Dann habe ich für besseren Lohn eine Arbeit beim Bahnhof Saint-Germain bekommen. Nach zwei Wochen wurde an der Arbeitsstelle in Saint-Germain ein neuer Chef eingesetzt, er hat mir die Papiere ausgegeben, weil ich keine Carte d’identité15 hatte.

Ausländer in Frankreich ohne die Carte konnten aber auf dem Bahnhof von Ambérieu Arbeit bekommen. Die Ausländer wurden hier für Kost und Logis und 10 Francs pro Tag eingestellt und die Direktion hat die Carte bei der Regierung beantragt. Bei dieser Ausbeutung habe ich aber nur 3 Wochen gearbeitet und bin dann nach Brebach (Saar) zurückgefahren. Insgesamt war ich 2 oder 2½ Monate in der Umgebung von Lyon in Frankreich, im Jahr 1926.

In Brebach (Saar) habe ich bei der Halberger Hütte sofort die alte Stelle bei einem Lagerplatz als Lade-Maschinist gekriegt; gewohnt habe ich im Schlafhaus.

Unter den Arbeitskollegen hatte ich, wie in Jugoslawien auch, mit allen immer gute Kamaradschaftsbeziehungen.

Im Schlafhaus haben die russischen Arbeiter zusammen in großen Zimmern gewohnt, aber es war möglich, die Zeitungen und Zeitschriften aller politischen Richtungen zu lesen, was in Jugoslawien unmöglich war.

Hier begannen meine politischen Kenntnise zu wachsen: [durch] Zeitungen, Diskussionen mit Landsleuten und mit Arbeitskameraden.

Insgbesamt bin ich in Brebach 5 Jahre gewesen, bis Juni 1930.

Während der Krise im Mai 1930 hat die Halberger Hütte still gestanden und ich war arbeitslos; in dieser Zeit habe ich Gemeinde-Unterstützung bekommen ([bin] stempeln [gegangen]).

Am 20.Juni 1930 ist von der Hütte in Hagondange (Lothringen) ein Beamter gekommen und hat uns, eine Gruppe Russen, aus Brebach nach Hagondange, zu einem einjährigen Arbeitsvertrag geholt.

Die sowjetische Amnestie für Emigranten in Frankreich war bis August 1925 gültig, so dass ich nur 2 Monate Zeit nach der Ausreise aus Jugoslawien hatte. Zu dieser Zeit hatte ich noch keinen politischen Fortschritt gemacht und habe nicht die ganzen zwei Monate zum Nachdenken gehabt, weil ich nicht gleich davon gehört hatte; dadurch habe ich die Amnestiefrist verstreichen lassen und die Amnestie verloren.

In der Hagondanger Hütte habe ich in der Gaszentrale als Maschinenschmierer Arbeit bekommen und Wohnung in Schlafhaus.

Für politische Einsichten habe ich 6 Jahre gebraucht.

Erst im Jahr 1931 habe ich den Klassenkampf begriffen. Die erste „Schwelle“, die ich überschritten habe, um die Kommunisten (Bolschewiken) zu verstehen, war „Lenins Nationale Politik“. Die zweite „Schwelle“, die ich überschreiten musste, war der Unterschied zwischen Anarchisten und Marxisten: ich hatte Kommunisten und Anarchisten (individuelle undisziplinierte Ka[e]mpf[er]) durcheinander gebracht und es war für mich etwas ganz Neues, als ich einen theoretischen Artikel in die Hände bekam, wo ich den Gegensatz16 von Karl Marx und Bakunin gesehen habe. Da begriff ich den organisierten Massenkampf gegen Klassenteilung, gegen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, für die Befreiung jedes Menschen durch die Befreiung der Masse.

Danach suchte ich Literatur von führenden [Vertretern17] der kommunistischen Theorie. Ich fühlte mehr Sympathie für das Sowjetsystem.

1932 habe ich Amnestie und Rückkehr beantragt und 1933 eine Absage bekommen.

Die Absage war für ein Jahr, aber ich habe in der Zwischenzeit den Wunsch nach Teilnahme am Klassenkampf bekommen und die Absage war für mich besser, [denn] wenn ich die Absage nicht gekriegt hätte, dann hätte ich nicht mehr am Klassenkampf teilnehmen können, weil nicht in die Sowjetunion abzureisen ein Schritt gegen meinen Antrag gewesen wäre.

Meine Gegner sind überall, aber meine Verräter sind hier im Ausland.

In den Jahren von (ungefähr) 1931 bis 1935 habe ich mich selbst isoliert, habe mich mit Arbeitskollegen und im Schachklub in Rombas von Zeit zu Zeit unterhalten, sonst war ich bestrebt, allein zu bleiben. Ich habe in der Zeit viel gelesen, habe keinen politischen Artikel zu lesen versäumt, ob faschistisch, monarchistisch, bürgerlich-demokratisch, kommunistisch, Links-Rechts-Abweichung von der Kommunistischen Partei, alles habe ich gelesen und kritisiert.

1935 war es mir gelungen, die Adresse des russischen Vereins „Union de Repatriement Russe en France“18 zu bekommen, und auf meinen Antrag wurde ich Mitglied des Vereins. Zu meiner Zufriedenheit hatte dieser Verein eine gute Bibliothek, ich habe hier Grundlegendes gelernt19.

1936 wurde ich Mitglied der Arbeiterorganisation in Frankreich „C.G.T.“20 und Mitglied der K.P.F.21

Bei der C.G.T. wurde ich Mitglied in der Gaszentrale der Hagondange-Hütte, bei der K.P.F. in der Region Amnéville-Rombas in Lothringen.

Im russischen Verein „Union de Repatriement Russe en France“ bin ich bei der Gruppe Algrange-Hayange-Uckange-Amnéville Mitglied des Aktivs (des „Vorstands“) gewesen. Unsere Arbeit war halblegalisiert.

Im Juli 1936 habe ich die Arbeit in der Gaszentrale verloren, weil das russische faschistische Zentrum fur Lothringen in Nilvange Verbindung mit den Direktionen aller Fabriken im Ort hatte.

Nach etwa 3 Wochen habe ich aber neue Arbeit bei der Rombacher Hütte im Sägewerk gekriegt.

Bis Juli 1936 habe ich im Schlafhaus in Silvang gewohnt, in den Monaten Juli bis September in Amnéville, von September bis Oktober in Rombas.

In der letzten Zeit hatte das spanische Volk seine Freiheit verteidigt. Unter den Russen in Frankreich war mir bekannt, dass die faschistische Generalität und ihre Helfer nach Spanien fahren, um den Rebellen zu helfen. Von unserer Gruppe der „U. de R.R. en France“ (Совнарод22) haben wir 4 Genossen uns freiwillig gemeldet bei unserem Vorstand in Paris, und die Mitglieder der K.P.F. beim Ortskomitee.

Über unsere Verräter wird das französische Proletariat richten, so dachten wir, weil in Frankreich die Arbeiterbewegung wächst, und wir werden versuchen, auf der Seite der Volksarmee die russisch-faschistische Hilfe für die Rebellen zu vernichten.

Am 29. Oktober 1936 bin ich nach Spanien gekommen, um bei der Roten Front gegen den internationalen Faschismus zu kämpfen, für die internationale Solidarität.

3-XII-1937.

Iwan Troyan.


Troyan Iwan – Autobiografie.

Am 29.Oktober 1936 bin ich mit mehreren internationalen Kameraden nach Spanien gekommen; etwa zwei Tage waren wir in Figueres. Danach sind wir nach Barcelona abgefahren. In Barcelona lag die Centuria23 Thälmann in Ruhestellung; wir wurden alle in die Centuria eingegliedert. Am selben Tag fuhren wir alle nach Albacete. In Albacete, bei der Verteilung aller Genossen auf militärische Einheiten, wurde ich zur M.G.K.24 eingeteilt, weil mir das S.M.G.25 „Maxim“ und das L.M.G.26 „Luis“ von früher bekannt gewesen sind.

In Albacete waren wir etwa eine Woche; zu dieser Zeit wurde aus der Centuria das Bataillon Thälmann gegründet, und ich gehörte zur M.G.K. dieses Bataillons als 1.Schütze.

Unser Bataillon hatte seine erste Feuertaufe am 12.November beim Sturm auf den Engelsberg27, dort war ich als Maschinengewehrführer eingesetzt. Auf diesem Posten war ich bis 1.Januar, danach war ich wieder als 1.Schütze eingesetzt. Am 12.Januar wurde ich als M.G.-Instrukteur eingesetzt. Am 20.-25.Januar wurde ich zum Sargento28 befördert.

Während der Zeit der Jarama-Front hatte ich den Posten des Munitionsverwalters des Bataillons inne.

Von 14.Juni bis 22.Juni war ich im Urlaub in Benisa, sonst war ich immer und überall beim Bataillon Thälmann gewesen.

Am 20.-26. Juli wurde ich an der Front von Brunete zum Brigada29 befördert.

Am 18.September wurde ich zum Teniente30 befördert und auf dem Posten des Waffen-Munitionsverwalters des Bataillons eingesetzt.

Sonst habe ich die ganze Geschichte des Thälmannbataillons mitgemacht.

3-XII-1937

Ten. Iwan.

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1 Aus dem Faksimile des handschriftlichen deutschen Manuskripts übertragen und redigiert von Jan Grabowski.

Kriterien der Bearbeitung waren: Beseitigung von orthographischen und grammatischen Fehlern sowie von Fehlern im Wortgebrauch, die auf mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache beim Verfasser beruhen; Beibehaltung der Bedeutung; soweit möglich Beibehaltung des Originaltextes.

Sofern an der Korrektheit der Bearbeitung Zweifel möglich sind, wurden Erläuterungen in Fußnoten hinzugefügt bzw. Einfügungen des Redakteurs durch eckige Klammern [] markiert.

Im Übrigen liegt der Originaltext dem Leser zum Vergleich vor.

2 im Original: Eisenmagasi. Kann auch „Eisenhandlung“ bedeuten (Anm. d.Red.)

3 im Original: Eisensche (Anm. d.Red.)

4 im Original: um das (Anm. d.Red.)

5 Die Unklarheit des zweiten Teils des Satzes ließ sich leider nicht beseitigen. Es wird nicht klar ausgedrückt, ob die Lehrer mit der Forderung der Volksmassen nach einer festen Regierung selbst übereinstimmten oder ob sie den Leninisten dies vorwarfen. (Anm. d. Red.)

6 Der Verfasser verwendet das Wort „Verrat“, meint aber möglicherweise „Irreführung“. (Anm. d.Red.)

7 im Original: Eri-gli (Anm. d.Red.)

8 im Original: Bakarro (Anm. d.Red.)

9 im Original: Jasenowaz (Anm. d.Red.)

10 im Original: ausgereinigt (Anm. d.Red.)

11 im Original: reinigen (Anm. d.Red.)

12 im Original: Ljutomir (Anm.d.Red.)

13 heutiger Name: Zrenjanin (Anm.d.Red.)

14 Der Verfasser benutzt das Wort „Falle“, das einen negativen Sinn hat. Möglicherweise meint er „Auffangstelle“. (Anm. d.Red.)

15 französisch für: Personalausweis (Anm. d.Red.)

16 im Original: Gegenstand (Anm. d.Red.)

17 Einfügung des Redakteurs

18 französisch für: Russische Repratriierungs-Union in Frankreich (Anm. d.Red.)

19 im Original: die Grun[d]lehre bekommen (Anm. d.Red.)

20 Confédération générale du travail (Anm. d.Red.)

21 Kommunistische Partei Frankreichs (Anm.d.Red.)

22 Abkürzung für Союз возвращения на родину – Union für die Rückkehr in die Heimat (Anm. d.Red.)

23 spanische Bezeichnung einer militärischen Abteilung, deutsch: Hundertschaft (Anm. d.Red.)

24 Maschinengewehrkompanie (Anm. d.Red.)

25 schweres Maschinengewehr (Anm. d.Red.)

26 leichtes Maschinengewehr (Anm. d.Red.)

27 deutscher Name für Cerro de los Ángeles (Anm. d.Red.)

28 spanischer Dienstgrad, entspricht Feldwebel. Im Original: Sergento (Anm. d.Red.)

29 spanischer Dienstgrad, entspricht Hauptfeldwebel. Im Original: Brigadir (Anm. d.Red.)

30 spanischer Dienstgrad, entspricht Oberleutnant (Anm. d.Red.)